Tracing: Henry-Ford-Bau (1954) (German)

Als Gegenpol zur Humboldt Universität im damals »unfreien Teil Berlins« sollte die Freie Universität (FU) einen Neubau erhalten, der diese bereits im Namen proklamierten Werte der Freiheit architektonisch widerspiegelte. Seit ihrer Gründung im Jahr 1948 litt die FU unter Raummangel, ein von der US-amerikanischen Ford Foundation finanzierter Neubau sollte hier Abhilfe leisten, denn Geld hatte die neue Universität keines. Nach einem Besuch Henry Fords II in Berlin im Jahr 1951 erfolgte eine Spende über 1.309.500 USD – die bis dato größte Spendensumme nach Kriegsende (Birkenmaier/Kretschmar/Wolf 2008, 281). Zuvor hatte die Ford Foundation bereits den Bau der FU-Mensa finanziert (vgl. Schmitz 2007, 10). Die Stiftung sah in der Investition eine Starthilfe für die neue Universität und damit die Möglichkeit, ihre Förderungsziele umzusetzen: »Projekte zu unterstützen, die der Förderung des Weltfriedens, der Freiheit und der Demokratie, sowie der wirtschaftlichen Wohlfahrt dienten.« (Ibid.)

Den Architekturwettbewerb, ausgeschrieben im »Hunger- und Blockadewinter« 1948, gewannen Heinrich Sobotka und Gustav Müller, die in der Nachkriegszeit »zu den führenden Architekten in (West-)Berlin« (Schmitz 2007, 14) zählten, und unter anderem auch das Gebäude der Industrie- und Handelskammer an der Hardenbergstraße planten – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Amerika Haus. Nach der Grundsteinlegung im Jahr 1952 erfolgte die Einweihung am 19. Juni 1954. Eisenhower ließ seine Glückwünsche ausrichten, US-Außenminister John Foster Dulles bezeichnete die FU in einem Grußtelegramm als »Symbol der akademischen Freiheit der Welt« (Schmitz 2007, 11).

Die gruppierte Anordnung der Gebäude passt sich an den Städtebau des Villenvorortes an und kombiniert verschiedene Bauteile. Neben dem Auditorium Maximum finden hier zwei größere Hörsäle sowie kleinere Auditorien, ein Senatssaal, die Universitätsbibliothek und weitere Institute Platz. In der Form eines doppelten Ts ist die Baugruppe auf zwei Eingangsseiten ausgerichtet, Symmetrien oder Axialität werden dabei vermieden. So entstehen zwei Hauptfassaden und damit zwei Schauseiten mit unterschiedlichen räumlichen Gesten. Die Gebäude sollen dem modernen Paradigma entsprechend raumbildend, und nicht raumverdrängend wirken (Schmitz 2007). So tritt der Eingang an der Boltzmannstraße hinter einen Vorhof und löst sich zugleich in der Glasfassade auf, stattdessen ist er von zwei Baukörpern links und rechts gerahmt. Nicht von ungefähr besteht die linke Wand, die den dahinterliegenden Audimax abgrenzt, aus massivem Naturstein: diese östliche Fassade, die der DDR zugewandte Seite, ist symbolisch geschlossen und sollte die politische Abgrenzung zum Ausdruck bringen (vgl. Birkenmaier/Kretschmar/Wolf 2008, 283).

Das Foyer ist von beiden Eingängen aus zugänglich und dient als räumliches Verbindungsglied der verschiedenen Bauteile und Funktionen. Schmale Rundstützen tragen hier das Dach, sodass sich die Wände auf der Längsseite dank der vollständigen, deckenhohen Verglasung aufzulösen scheinen. Eine Galerie ist stützenfrei eingehängt und wird von zwei Treppen erschlossen, die leicht angewinkelt im Raum angeordnet sind und sich in der gläsernen Vorhalle zur Aufgangsinszenierung eigneten.

Insgesamt soll die plastische Formensprache aus Beton, Glas und Naturstein Offenheit demonstrieren – mit Ausnahme gen Osten. Auch das Innere ist dominiert durch klare Formen und eine helle Belichtung. Offenheit und Transparenz waren auch politische Versprechen, die sich doch nicht immer einlösten. So wurde der Henry-Ford-Platz Hauptschauplatz der Studierendenproteste in den Jahren 1965 und 1968 – und ist bis heute ein symbolischer Ort, um Kritik an der Universität zu üben.

Übrigens: Um welchen »Henry Ford« es sich bei dem Namensgeber handeln sollte, blieb lange unklar oder wurde bewusst offen gelassen. Henry Ford I. war nicht nur Gründer der Ford Motor Company und der Ford Foundation, sondern auch ein bekennender Antisemit. Nach dessen Tod übernahm 1947 dessen Enkel Henry Ford II den kapitalistischen Staffelstab (Birkenmaier/Kretschmar/Wolf 2008, 280). Bis heute kursieren Fords antisemitische Schriften in rechtsextremen Kreisen – Proteste zur Namensgebung sind nicht nachweisbar. Doch wird seit einigen Jahren von offizieller Seite darauf verwiesen, dass es sich beim Namenspatron um Henry Ford II. handele (Staadt 2020).

Bibliographie

Birkenmaier, Kristin/Kretschmar, Katharina/Wolf, Kathrin (2008): »Der Henry-Ford-Bau«, in: Jessica Hoffmann/Helena Seidel/Nils Baratella (Hrsg.): Geschichte der Freien Universität Berlin: Ereignisse - Orte - Personen, Berlin: Frank & Timme, S. 279–286.

Schmitz, Frank (2007): Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin, Berlin: Stadtwandel Verlag.

Staadt, Jochen (2020): »Wie der Henry-Ford-Bau zu seinem Namen kam«, zuletzt abgerufen am 23. September 2024.