OSSI/WESSI Nähcafe - Bring Your Own Pulli (German)

Das Amerika Haus mit seiner gläsernen Fassade wird 1960 von der Denver Post als weltweit bestplatziertes Propaganda Zentrum bezeichnet. Die »demokratische Utopie« der USA sollte repräsentiert werden mit einer großzügigen Glasfassade im Erdgeschoss, die Offenheit und Transparenz vermitteln soll und dem Versprechen eines Kulturangebots an ganz Berlin. Die Ausstellung Träum Weiter - Berlin, die 90er bietet Anlass, über die Konfrontationen des kalten Kriegs hinaus die Visionen, Utopien und Unsicherheiten der 1990er Jahre zu diskutieren.

In einem Spiel mit Identität und Perspektive lädt die Künstlerin Nadja Buttendorf zum Besticken von Pullis und Shirts mit OSSI/WESSI WENDEpailletten ein. Im Handumdrehen werden OSSIs zu WESSIs und WESSIs zu OSSIs. Mit Nadel und Faden verbinden sich im Nähcafé Stoffe und Stimmen, es entsteht Austausch und Gemeinschaft. Die gemeinsame Handarbeit eröffnet einen Raum, über eigene und fremde Zuschreibungen ins Gespräch zu kommen und Geschichten aus Ost- und West-Berlin zu erzählen.

Denn Räume verändern sich durch Gesten der Hospitalität, der Freundschaft und des Verständnis. Darum überschreibt das Nähcafé den historischen Ort des Ideologisierens mit einer Einladung zur Begegnung und Annäherung. Buttendorf bringt dafür sowohl die demokratische Utopie des Amerika Hauses als auch die Berliner Utopien der 1990er Jahre zusammen mit Menschen und deren persönlichen Geschichten. Sie setzt diesen Konstrukten einen sozialen Moment entgegen, der Raum zur Dekonstruktion von Zuschreibungen schafft und Raum für Ambivalenz. Gleichzeitig ist die Versammlung im Amerika Haus sinnbildlich: das kollektive Bewegen und Agieren in diesen Räumen generiert neue Ost-West-Bilder, Bilder von der Suche nach persönlichen, gegenseitigen - also neuen - Beziehungen. Diese erlauben die Hoffnung auf eine Anerkennung von Anderen und von Unterschieden; sie unterstützen Zusammenhalt und Gefühle der Zugehörigkeit, was nicht nur demokratische Utopien repräsentiert, sondern die Demokratie tatsächlich stärken könnte.

Das OSSI/WESSI Nähcafe ist Teil der Performance-Reihe Tracing Influence: Intervening in Western Cold War Architecture. Die Reihe widmet sich vier Architekturen des Kalten Krieges in Berlin, die von der Institutionalisierung US-amerikanischer Macht im Rahmen der Förderung von Bildungsinstitutionen und der Verbreitung von Wissen zeugen. Verschiedene Künstler*innen setzen sich performativ mit diesen architektonischen Räumen und ihren ortsspezifischen Geschichten auseinander, um neue Formen des Zusammenkommens zu entwickeln, die das Machtdispositiv ihrer Vergangenheit infrage stellen.

Tracing Influence wurde konzipiert von Kirsten Maar, Sophie Schultz-Allen, Hannah Strothmann und Luise Willer mit Unterstützung von Mariama Diagne, Friederike Hartge, Martina Kutsch und Giulia Weis im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Intervenierende Künste der FU Berlin, in Kooperation mit der Zentralen Landesbibliothek Berlin sowie dem HKW Berlin.