English abstract: From Facts to Lived Knowledge – A Barcamp on the Climate Crisis

Many experts describe the current situation as an ecological and political polycrisis. It is also a crisis of imagination failing to grasp the scale and temporality of the crises as well as the various interactions and interdependencies of the individual problem areas. It follows from this diagnosis that possible paths towards a fairer world can only be found if the various groups of actors involved in understanding and mediating the polycrisis come together and join forces in solidarity. In November 2024, a BARCAMP took place to test what questions and needs arise when various actors from science, art, journalism and activism come together and think about the transfer of abstract knowledge into concrete potential for action.

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Von Fakten zu gelebtem Wissen – Ein Barcamp zur Klimakrise (German)

Der globale ökologische Notstand von Klima-, Biodiversitäts- und Vermüllungskrise schreitet rapide voran. Die planetaren Grenzen werden deutlich überschritten, die Lebensgrundlage von Menschen, Tieren und Ökosystemen zerstört. Eklatante Ungerechtigkeiten durch koloniale, kapitalistische und diskriminierende Strukturen nehmen stetig zu, nicht zuletzt zu Lasten zukünftiger Generationen. Und doch sind die Maßnahmen von Politik und Wirtschaft unzureichend oder werden gar torpediert. Die ökologische Krise zeigt sich zugleich als eine politische sowie als Krise der Verhältnisse von Wissen, Imagination und Handeln. Wie lässt sich die Dringlichkeit zu handeln in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern besser vermitteln? Wie kann ein anderer ›Lebenszyklus‹ von Wissen und Handeln aussehen?

Zugleich sind die Werte einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft zunehmend in Gefahr. Angesichts der Realität der Klimakrise verbreitet sich eine neue Art der Leugnung: Anstelle der Datenlage werden der Sinn und die Umsetzbarkeit vorhandener Lösungsvorschläge angezweifelt und vor allem Klimaforscher:innen und Aktivist:innen selbst attackiert und persönlich diffamiert. Wie können Wissenschaft, Aktivismus, Medien und Künste im aktuellen gesellschaftlichen Klima dazu beitragen, den tipping point zu rechtspopulistischer Gewalt und Abschottung zu verhindern und stattdessen eine nachhaltigere, offenere und vor allem gerechtere Zukunft mitgestalten?

Was brauchen…?

  • Wissenschaftler:innen, um die Dringlichkeit der Klimakrise in den Medien und Künsten wirkungsvoller darzustellen?

  • Aktivist:innen, um die Solidarität mit ihren Anliegen zu vergrößern?

  • Journalist:innen, um der Krise innerhalb der Nachrichtenzyklen besser Geltung zu verschaffen?

  • Künstler:innen, um aus Daten und Fakten spürbare Interventionen in unsere Erfahrungsräume und Wahrnehmungsweisen zu gestalten?

Um diese und weitere Fragen zu diskutieren, haben sich am 22. November 2024 Akteur:innen aus Wissenschaft, Kunst, Aktivismus und Journalismus bei einem vom Sonderforschungsbereich Intervenierende Künste organisierten Barcamp im Change Hub in Berlin Mitte zusammengefunden. Ziel der Veranstaltung war es, ein möglichst heterogenes Publikum mit einem breiten Spektrum an persönlichen Erfahrungen, fachlichen Hintergründen, Arbeitskontexten und Zielsetzungen in einen produktiven Austausch zu bringen. Gesprochen wurde unter anderem über folgende Themen:

  • Wie können Wissenschaft, Aktivismus, Künste und Journalismus zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Bündnis für mehr Klimaschutz und Klimagerechtigkeit zu bilden? Wie lässt sich die Dringlichkeit in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern gemeinsam besser vermitteln? Wie können Vermittlungsangebote auf unterschiedliche Öffentlichkeiten angepasst und zugleich eine Durchlässigkeit zwischen diesen pluralen Öffentlichkeiten hergestellt werden?

  • Welche Szenarien können in den Medien und Künsten im Vordergrund stehen, welche Emotionen evoziert werden für eine breitere Zustimmung zum Klimaschutz und eine größere Mobilisierung gegen die fossile Industrie?

  • Wie können wir wissenschaftliche Erkenntnisse stärker mit den Perspektiven des gelebten Alltags verbinden? Welche Erfahrungsformen können Medien und Künste entwickeln, um die Abstraktionen und Skalierungen der Wissenschaft mit unserem Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln zu verknüpfen?

Das Format des Barcamps ermöglicht es, die Diskussion flexibel an den Interessen der Teilnehmenden auszurichten. So gab es kein im Vorfeld festgelegtes Programm, sondern einen zeitlichen Rahmen für die vor Ort verhandelten Themen. Die Teilnehmenden fanden sich dazu abwechselnd im Plenum oder in kleinen Gesprächsrunden zusammen. Für diese Kleingruppen wurden zu Beginn des Tages Impulse und Fragestellungen aus dem Plenum gesammelt und unter je einem Stichwort auf Karten notiert. Anschließend stand es allen Teilnehmenden frei, sich an einer der drei parallel stattfindenden Diskussionsrunden zu beteiligen. Jede Runde wurde von der Person moderiert, die das Thema vorgeschlagen hatte. Zusätzlich gab es in jeder Kleingruppe eine Dokumentation des Austausches. In der Bildergalerie finden sich die Stichpunkte zu den einzelnen Fragestellungen, in den Bildunterschriften ein Einblick in die jeweilige Diskussion.

Wie geht es weiter?

Wir, die Organisator:innen des Barcamps, sind nicht davon ausgegangen, dass die vielen Fragen, die wir uns stellen wollten, an einem Tag beantwortet werden können. Es sind vielmehr neue dazugekommen. Stellvertretend dafür steht die Karte mit dem Stichwort »Umsetzung Klimaschutz«, die zwar als Frage sicherlich in die Diskussionen eingeflossen ist, auf die konkrete Antworten aber noch ausstehen. Auch die globalen und nationalen politischen Dynamiken haben sich seit dem Barcamp eher noch weiter von einer gerechteren und ökologisch nachhaltigeren Welt für alle entfernt. Umso wichtiger ist es, solidarische Netzwerke innerhalb und zwischen den Feldern Wissenschaft, Journalismus und Künste zu stärken. Deshalb ist es uns ein Anliegen, die Arbeit fortzusetzen, weiterhin Räume und Gedanken zu teilen sowie die Impulse des Barcamps in andere Konstellationen zu tragen. Für die medienwissenschaftliche Community gibt es etwa die Möglichkeit, sich im Arbeitskreis Media Climate Justice zu vernetzen, sich gegenseitig zu unterstützen und wertvolle Erfahrungen, Ressourcen und Kompetenzen auszutauschen.

Die hier gesammelten Reflexionen, Einschätzungen und Anregungen sind im Rahmen der Gesprächsrunden zu spontan zusammengestellten Themenbereichen entstanden. Sie wurden von Constanze Albrecht, Klara Beetz und Pablo Trujillo Tobaria protokolliert. Es wurde darauf verzichtet, die einzelnen Fragen oder Aussagen einzelnen Teilnehmer:innen zuzuordnen. Sie sind vielmehr explizit als ein kollektives Ergebnis zu verstehen, das von Constanze Albrecht, Lars Dolkemeyer, Matthias Grotkopp und Yvonne Pfeilschifter für diesen Beitrag formatiert wurde. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Forum Gegenwart des Sonderforschungsbereichs 1512 Intervenierende Künste statt. Sie wurde unter der Leitung des Teilprojekts C05 »Intervenierende Weltentwürfe: Audiovisualität des Klimawandels« durchgeführt.