(Un)Making Monuments – Museum des Kolonialismus (German)
In der Küche von BARAZANI.berlin, einem interdisziplinären Aktionsraum im Zentrum der Stadt im Nikolaiviertel gegenüber dem Humboldt Forum, setzten sich die Studierenden zusammen mit Christoph Balzar und Fabian von Ferrari mit der Symbolik des ehemaligen preußischen Königshauses auseinander. Dabei diskutierten sie die Möglichkeiten und Potenziale, Containerarchitekturen als Orte für künstlerische Interventionen, Ausstellungen und öffentliche Dialoge zu nutzen, mit dem Ziel, die starre koloniale Monumentalität des Gebäudes aufzubrechen.
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Auszug aus dem Flyer Initiative »Schlossaneignung« © Naira Estevez
1/71/7 Auszug aus dem Flyer Initiative »Schlossaneignung«
© Naira Estevez
Beitrag von Fabian von Ferrari und Christoph Balzar zum Internationalen Ideenaufruf zur Kontextualisierung der rekonstruierten Fassaden des Berliner Schlosses © Konzept und Entwurf von Christoph Balzar und Fabian von Ferrari, Foto von Naira Estevez
2/72/7 Beitrag von Fabian von Ferrari und Christoph Balzar zum Internationalen Ideenaufruf zur Kontextualisierung der rekonstruierten Fassaden des Berliner Schlosses
© Konzept und Entwurf von Christoph Balzar und Fabian von Ferrari, Foto von Naira Estevez
Bei BARAZANI.berlin © Naira Estevez
3/73/7 Bei BARAZANI.berlin
© Naira Estevez
Sketch © Marla Heid
4/74/7 Sketch
© Marla Heid
Die rückseitige Fassade des Humboldt Forums © Naira Estevez
5/75/7 Die rückseitige Fassade des Humboldt Forums
© Naira Estevez
Auf dem Dach des Humboldt Forums © Naira Estevez
6/76/7 Auf dem Dach des Humboldt Forums
© Naira Estevez
Auf dem Dach des Humboldt Forums © Naira Estevez
7/77/7 Auf dem Dach des Humboldt Forums
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Planspiel »Museum des Kolonialismus« © Marla Heid
1/21/2 Planspiel »Museum des Kolonialismus«
© Marla Heid
Vortragsankündigung als Teil der Initiative »Schlossaneignung« © Marla Heid
2/22/2 Vortragsankündigung als Teil der Initiative »Schlossaneignung«
© Marla HeidDie Vision hinter dem »Museum des Kolonialismus«
Ein Beitrag von Christoph Balzar & Fabian von Ferrari
Das Humboldt-Forum im wiedererrichteten Berliner Stadtschloss der Hohenzollern steht exemplarisch für die Debatten um koloniale Kontinuitäten in der deutschen Kulturpolitik. Trotz vielfacher Kritik werden dort ethnologische Sammlungen aus kolonialen Kontexten in einem repräsentativen Gebäude des Deutschen Reichs ausgestellt. Die gewaltsamen Bedingungen ihrer Aneignung werden dadurch ästhetisch verschleiert.
Das Projekt »Museum des Kolonialismus« versteht sich als gezielte Intervention in diese symbolische Ordnung des Humboldt-Forums im Schloss. (1) Sie richtet sich gegen die museale Mission, die darauf abzielt, die Gebrüder Humboldt identitätspolitisch zu glorifizieren. Das Ziel des Projekts ist nicht, das Humboldt-Forum als vermeintlich weltoffene Kulturinstitution zu reparieren, sondern seinen Betrieb einzustellen und im Bestandsmuseum eine völlig neue Mission zu installieren.
Die Intervention schlägt vor, die koloniale Geschichte nicht länger als isoliertes Thema zu behandeln, sondern zum zentralen interpretativen Rahmen des Ortes zu machen. Dadurch wird die bisherige Konstruktion einer vermeintlich humanistischen, preußisch-europäischen Identität in ihrer ideologischen Funktion dekonstruiert. Das bestehende Museum soll so zu einem konfrontativen Raum werden, in dem koloniale Schuld und postkoloniale Verantwortungsübernahme authentisch thematisiert werden können. (2)
Diese systemische Verschiebung wird architektonisch durch eine modulare Containerarchitektur realisiert, die das Schloss umzingelt und dadurch neu rahmt. Diese in immer neuen Kombinationen mögliche Struktur aus Frachtcontainern dient der kritischen Rahmung der autoritären Repräsentationslogik des Schlosses. Sie verweist dabei auf die kolonialen Kontinuitäten der Globalisierung wie heutigen Handels- und Ausbeutungsverhältnissen. Sie bricht Sichtachsen im Stadtraum, stört Symmetrien der barocken Architektur und leistet so ästhetischen Widerstand gegen die Monumentalität des Bestandsmuseums.
An die Stelle hegemonialer Narrative treten im »Museum des Kolonialismus« Vielstimmigkeit in Form diverser marginalisierter Perspektiven. In Anlehnung an institutionelle Kritiken wie die von Andrea Fraser oder Fred Wilson und die anti-monumentale Praxis nach James Young richtet sich das »Museum des Kolonialismus« explizit gegen das bestehende Ausstellungssystem und die monumentale Architektur des Humboldt-Forums im Berliner Schloss. Die vermeintliche Stabilität des weiß-deutschen Narrativs wird so fragmentiert und durch offene und plurale Erzählungen in den Frachtcontainern relativiert.
In Workshops und Seminaren entwickelten Studierende konkrete Strategien zur Nutzung der Container-Architekturen. Dazu zählen ein bewusst unübersichtlich gehaltenes Containerdorf mit einer Schule, einem »Raum der Frustration«, partizipativen Projektionen auf die Schlossfassade, Live-Übertragungen aus ehemaligen Kolonien sowie Räumen für Performances, Versammlungen und eine Community Kitchen. Zentral für all diese Ansätze ist, dass die Container dezentral und nicht hierarchisch kuratiert werden und dezidiert offen sind für migrantische, postmigrantische, Schwarze, indigene und queer-feministische Positionen.
Museum des Kolonialismus – Ein Feature
In diesem experimentellen Audio-Feature kommen neben Balzar und Ferrari auch die Studierenden zu Wort, die kreative Ideen vorstellen, mit denen die Container bespielt werden könnten. Das Projekt wird als Beispiel für eine dynamische und offene Erinnerungskultur verstanden, die historische Machtstrukturen reflektiert und transformiert. Mit Beiträgen von Christoph Balzar, Fabian von Ferrari, Johanna Kehne und Tom Lagodny.
Das Blockseminar Denkmäler neu denken: Ideologie, Narrative und künstlerische Interventionen wurde im Wintersemester 2024/25 von Marla Heid im Rahmen des SFB Intervenierende Künste an der Freien Universität Berlin geleitet. Im Zentrum stand die Frage, wie künstlerische Praktiken kritisch auf bestehende Monumente reagieren und alternative Formen des Erinnerns im öffentlichen Raum vorschlagen können. Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars. Er spiegelt individuelle Auseinandersetzungen mit Erinnerungspolitiken, historischer Repräsentation und räumlichen Kontexten wider und zeigt die Vielfalt künstlerischer Strategien im Spannungsfeld von Denkmal, Öffentlichkeit und Gegenwart.
Fußnoten
(1) Beitrag von Fabian von Ferrari und Christoph Balzar zum Internationalen Ideenaufruf zur Kontextualisierung der rekonstruierten Fassaden des Berliner Schlosses.
(2) siehe auch die Initiative zur Aneignung des Berliner Schlosses.